1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

10.11.1917 Rin in die Kartoffeln – raus aus die Kartoffeln

/ / 2.11.17-20.1.18 Zum dritten Mal an der Aisne

Rin in die Kartoffeln – raus aus die Kartoffeln – rin in die Kartoffeln! Alles wird man mal im Leben leid, sogar das Kriegstagebuchschreiben. Aus dem Urlaub zurück. Der neue Papierkrieg. Am 1.11. Stellungswechsel nach der Aisne. Waldlager “Schwaben” bei Sissonne. Am 2.11. In Stellung bei Outre. Russland soll Waffenstillstand angeboten haben.

Unsere Landstürmer

Unsere Landstürmer

Nach wochenlanger Bummelei muss ich heute ein kleines Sammelsurium veranstalten.

Alles wird man mal im Leben leid. So ging es auch mir plötzlich mit meinem Kriegstagebuch. Immer derselbe Quark. Rin in die Kartoffeln – raus aus die Kartoffeln – und wieder rin! Ich wollte nicht mehr mittun. Und nun hat es mich doch wieder gepackt. Ich gehe mit neuer Kraft an die Arbeit.

Der letzte Teil meiner Kriegserinnerungen schloss mit der Zeit vor meinem 4. Kriegsurlaub ab. Der Urlaub liegt längst hinter mir. Schöne, abwechslungs- und erinnerungsreiche Stunden hat er mir bei meinem Aufenthalte in Wilsdruff, Dresden, Königsbrück, Leisnig, Leipzig und zuletzt in Witten an der Ruhr beschieden. Und viel zu schnell stand ich am 24.10. abends wieder auf dem Bahnhof zur Frontfahrt bereit.

Am 25.10. mittags langte ich in Dun an. Die Fahrt selbst mit einem halben Dutzend Urlauberzügen bot wenig angenehmes. Kein Licht, keine Heizung, zigmaliges Umsteigen waren unerfreuliche Begleiterscheinungen. Trotzalledem marschierte ich noch am Nachmittag desselben Tages wohlgemut in unser altes Ruhelager bei Liny ein.

Die Batterie stand, wie ich mich bereits am übernächsten Tage überzeugen durfte, am alten Fleck. Inzwischen waren die fast 10m tiefen Stollen voll ausgebaut worden, was eines Tages sogar dem Artillerie-Kommandeur Anlass zu einer Besichtigung bot.

Er hatte sich einen ruhigen Tag ausgesucht. Dennoch war seine Anwesenheit nur von kurzer Dauer. Als er sich mit seinen Herren gerade unten befand, jagten unsere Kanoniere oben 3 Schuss kurz hintereinander aus den Rohren.

In 5 Minuten war alles verschwunden. In der vermeintlichen “dicken Luft” wollte man uns nicht länger stören.

Wir aber gingen von dem Grundsatz aus: “Wenn Ihr uns an den Kampftagen nicht zu finden wisst, dann könnt Ihr uns auch in ruhigen Zeiten gestohlen bleiben!”

Doch so wird es immer sein. Sobald der Feind verträglicher wird, beginnt man uns wieder auf andere Weise zu quälen.

Während meiner Abwesenheit war deshalb auch der leidliche Papierkrieg mit alter Tücke hereingebrochen. Meine Kollegen seufzten nach Ablösung. Die an der Front eingetretene Ruhe hatte ungezählte Befehle, Verordnungen, Verfügungen, Vorschriften und vor allem Verbote der übergeordneten Stellen ausgelöst.

Ich könnte Bände schreiben über den blühenden Unsinn, der nach mehr als dreijähriger Kriegszeit täglich verzapft wird, doch will ich mich diesmal – um das Unheil nicht größer zu machen, mit der Feststellung der Tatsache selbst begnügen.

Glücklicherweise wurde auch ich aus dieser Hölle von Makulatur bald und unerwartet befreit. Am 31.10. Nachmittags traf Befehl zum Abtransport der Batterie ein.

Die Mannschaften nahmen ihn – im Gegensatz zu mir, mit gemischten Gefühlen auf; denn für sie bedeutete er in erster Linie das Verlassen der in mühevoller Arbeit ausgebauten Stellung, in der sie angesichts des nahen Winters gern noch bis zum Frühjahr geblieben wären.

“Wat dem een sin Uhl ist, dat is dem annern sin Nachtigall!”

Am 1.11., abends 10 Uhr wurde die Batterie in Brieulles verladen. Am 2.11. morgens 1 Uhr, rutschten wir ab und bereits gegen 10 Uhr vormittags waren wir am Ziel, der Bahnstation Liesse-Gizy bei Laon. Nach 3stündigem Marsch erreichten wir unsere Unterkunft, das Waldlager “Schwaben” bei Sissonne.

Wir waren hundsmüde und gedachten nun erst einmal kräftig auszuruhen. Aber Mahlzeit!

Um 1 Uhr nachts wurden wir wieder aus der Holzwolle geworfen und mussten mit Sack und Pack den Weg zur neuen Feuerstellung an der Aisne antreten.

Warum so plötzlich, ist mir noch heute ein Rätsel, denn nachdem wir erst aus Versehen die Kreuz und Quer fast bis zu der auf dem Berge liegenden Beobachtung gefahren waren und dann am frühen Morgen für unsere verschlafene und wenig parademäßige Haltung sogar einen Anpfeifer unseres, unvermittelt aus einer Waldschneise auftauchenden Bataillonskommandeurs einstecken mussten, haben wir schließlich doch noch volle 3 Tage behelfsmäßig auf einem Waldwege kampiert, um erst dann in unsere endgültig festgelegte neue Stellung einzuziehen.

Das Wetter war inzwischen saumäßig geworden, so dass wir – ohne jedes Obdach – verschiedene Male bis auf die Haut nass wurden.

Jetzt geht der Stellungsbau mit aller Macht vorwärts. Der nahende Winter zwingt uns von selbst wie Maulwürfe in die Erde — und wenn wir erst einmal unsere Visitenkarte drüben abgegeben haben, wird der Gegenbesuch wohl nicht lange auf sich warten lassen.

Die Geschützstellung liegt südlich Outre. Neben der Hauptstellung wird für alle Fälle gleichzeitig eine Wechselstellung mit ausgebaut.

Und, dass ich es eben noch erwähne — Befehle und Anordnungen liegen auch schon wieder eine Menge vor.

Am 8.11. wurde ich vorn abgelöst. Die drei Ruhetage bis heute haben mir gut getan. Im Ruhelager ist es gemütlich. Wir bewohnen massive Baracken. Auch für die Pferde sind schöne Ställe errichtet.

Im nahen Sissonne hat man sogar Gelegenheit, ins Kino zu gehen.

Leider ist die Herrlichkeit nur von kurzer Dauer, denn morgen muss ich wieder hinaus. Nachdem ein Kollege auf Urlaub gegangen ist, ein zweiter Auch nach Jüterbog kommandiert wurde und der dritte ebenfalls zur Heimat will, bleiben wir nur noch zu zweien für die Ablösung übrig. Das bedeutet für mich mindestens 3 Wochen ununterbrochenen Aufenthalt in der Feuerstellung. Ich muss mich dreinschicken.

Gestern traf übrigens eine freudige Nachricht ein: “Russland soll einen Waffenstillstand angeboten haben!” Wenn es nur wahr ist — dann wollen wir den Rest des Krieges noch gern ertragen, da man doch endlich einmal einen Anfang vom Ende sieht.

Unsere letzten Erfolge in Italien berechtigen ja ebenfalls zu den schönsten Hoffnungen.

 

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 20.11.

  1. Hauptschulblues dankt Ihnen für die Mühe und würde sich freuen, man könnte das Tagebuch in Buchform kaufen. Falls es einmal so weit sein sollte – Mail genügt.

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