1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

17.8.1914 Noch ein Ruhetag in Lüttich

/ / 1. Vormarsch im Westen. 9.8.14 - 6.9.14

Halb 10 Uhr Vormittags: Gestern Abend waren wir zu 2 Mann unserer Bedienung noch um 9 Uhr ohne Quartier. Die Kameraden hatten nur für sich gesorgt. Wir mussten uns also bei bereits eingetretener Dunkelheit selbst auf die Suche machen.

Überraschenderweise glückte es uns schon in dem ersten Hause, in dem wir anfragten, unterzukommen. Die Bewohner, Angehörige einer gut bürgerlichen Familie, saßen im Hausflur und hatten gerade das Abendessen beendet. Wir bekamen von ihnen ein kleines Zimmer im 3. Stock angewiesen, in dem zwar keine Betten standen, dessen Fußboden aber mit Decken und Kissen belegt war.

Eine Einladung zum Abendbrot nahmen wir dankend an. Es gab Butterbrot mit Wurst und Käse.

Dem Essen folgte eine äußerst angeregte Unterhaltung bis 11 Uhr abends. Die 3 Frauen des Hauses sprachen außer Französisch sehr gut deutsch. Wir hatten dabei Gelegenheit, unser bisschen Schulfranzösisch von früher etwas aufzufrischen. Aus den Reden der Bewohner klang bereits eine große Kriegsmüdigkeit. Sie verurteilten jedoch den Neutralitätsbruch der Deutschen unbedingt, den wir wiederum von unserem Standpunkt aus zu rechtfertigen suchten. Im Übrigen waren unsere Wirtsleute sehr unglücklich darüber, dass man sie von der Außenwelt gänzlich abgeschnitten hatte.

Unser Quartier haben wir heute bereits um halb 4 Uhr morgens verlassen. Aber erst um halb 9 Uhr gaben wir unseren Standplatz am “Quai des Ardennes” auf, um – nach etwa 4 km Marsch durch die Stadt – jenseits der Maas am “Quai de coroneuse” ein neues Lager aufzuschlagen.

Unterwegs kamen wir an einer steinernen und einer eisernen Brücke vorüber, die die Belgier bei ihrem Abzug in die Luft gesprengt hatten — zu ihrem eigenen Schaden. Von unseren Pionieren waren in kürzester Zeit zwei neue Brücken hergestellt worden. Die Art und Weise, in der dies geschehen, wirkte auf uns verblüffend. Man hatte einfach die auf der Maas liegenden Schiffe nebeneinander gefahren und von Ufer zu Ufer mit Bohlen und Brettern belegt.

In der Nähe der Brücken sah es wüst aus. Sämtliche Fensterscheiben waren bei den Sprengungen zertrümmert worden. Mauerwerk, Balken und Eisenteile lagen verstreut umher. Den Bewohnern wird bei dieser gewaltsamen Zerstörung die Buxe nicht wenig gebebt haben.

Halb 12 Uhr mittags: Soeben wurde von unserer Infanterie einige 100m von uns entfernt ein französischer Flieger abgeschossen. Der neben ihm in der Luft kreisende deutsche Flieger gab noch rechtzeitig Lichtsignale, so dass er dem gleichen Schicksal mit knapper Not entging.

Für uns hat man scheinbar noch keine Verwendung. Damit uns die Zeit nicht allzu lang wird, ist für den Abend Stiefelappell angesetzt. Ausserdem sollen am Nachmittag die Fahrzeuge gereinigt werden — Dinge, über deren Notwendigkeit und Wert die Meinungen der Kanoniere und Vorgesetzten auseinandergehen.

Der nächste Beitrag erscheint am 18.08.

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