1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

25.7.1916 Bis zum letzten Mann

/ / An der Somme 30.6.16-3.3.17

“Divisionsbefehl: Jede Truppe muss bis zum “letzten” Mann kämpfen!”

Wetter: trübe, warm.

An der Front vollkommene Ruhe.

Ich bekomme folgenden Befehl zu Gesicht:

28.Inf. Div. I. 1/22   

22.7.1916, 7 Uhr abends.

Divisionsbefehl:

Der Herr Oberbefehlshaber hat in einem Armeebefehl zum Ausdruck gebracht, dass von dem Sieg an der Somme die Entscheidung des gesamten Feldzuges abhänge.

Jeder Führer ist dafür verantwortlich, dass seine Truppe in dem ihm überwiesenen Abschnitte bis zum “letzten” Mann kämpft.

Verstöße ziehen die sofortige kriegsgerichtliche Untersuchung nach sich.

Dieser Armeebefehl ist allen Führern bekannt zu geben.

Gez. H…

Was soll man davon denken? Haben die Truppen in den vergangenen heißen Kampftagen wirklich noch nicht gezeigt, dass sie mit der letzten Faser ihres Herzens den Ansturm der feindlichen Massen aufzuhalten bereit waren? Die Androhung einer kriegsgerichtlichen Untersuchung wirkt mehr als lächerlich – denn Schlimmeres, als dem einzelnen hier draußen beschieden ist, kann auch ein Kriegsgericht nicht mehr verhängen.

Wie aber würden die Führer wohl denken, wenn nun umgekehrt ein Mannschaftsbefehl herauskäme, mit dem gleichen Wortlaut aber mit vertauschten Rollen: “ Jeder Muskote ist dafür verantwortlich, dass seine Führer in den ihnen überwiesenen Abschnitten bis zum letzten Mann kämpfen!” ?

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 29.7.

  1. Oho! Ein Hauch von Meuterertum !
    Ich finde es toll, dass er so deutlich wird. Wurden seine Aufzeichnungen eigentlich nicht „überprüft?“ Musste er damit rechnen, dafür bestraft zu werden wenn er etwas schrieb, was den Oberen nicht gefallen hat?

    Viele Grüsse
    Marc

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    • Ich zweifle, dass ein einfaches Tagebuch so relevant war. Ausserdem wurde es in Kurzschrift geschrieben und ich bin mir nicht sicher, wie viele seiner Oberen das überhaupt lesen konnten

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  2. Wir schreiben 1916 und nicht 1936…
    Sicherlich fand eine Zensur der Feldpost statt , aber bestimmt nicht so extrem wie in den “ 12 “ Jahren. Das Kaiserreich war in einigen Dingen liberal und Ernst hat ja seine Tagebücher auch nicht verschickt sondern am Mann geführt.Was ihm sicherlich leichter fiel als dem Grabenschwein vorne.
    Mathias

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    • Ernst Jünger (den man sicher gut als „Grabenschwein“ bezeichenen kann, auch wenn er Offizier war) scheint das auch geschafft zu haben. Dort liest man allerdings auch wenig der Führung ungenehmes.

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  3. Danke für Eure Antworten !

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  4. @Hans , ich gebe Dir in Bezug auf Jünger recht!Nur darf man auch nicht vergessen das Jünger Offizier war und der Unterschied in der Alten Armee zwischen Gemeinem und Offizier noch eine große Rolle gepielt hat. Ich wollte damit ausdrücken das “ unser “ Ernst in der Schreibstube saß welche sich nicht unmittelbar an der der Front befand , dadurch war es für ihn mit großer Wahrscheinlichkeit leichter , sein Tagebuch zu führen.

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  5. Tagebuch schreiben war doch erst im 2. WK untersagt und die Zensur betraf die Zeitungen und die Post von der und in die Heimat.

    Die Zensur griff flächendeckend erst wohl ab 1915 und schwärzte in Briefen „Ungenehmes“.

    Zensur ist Zensur – unabhängig von der Ideologie, denn das Wissen um deren Existenz verändert das Geschriebene beim Schreiben.

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