1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

8.7.1915 Schlangen und Skorpione

/ / Am Isonzo 1.7.1915-31.3.1916

Schwere italienische Angriffe. Wir sind bereits mit Erfolg tätig. Ein Bad in der Wippach. Missglückter Rettungsversuch an einem Ertrinkenden. Schlangen und Skorpione.

Wecken: 5 Uhr morgens. Wetter: klar.

Ich habe so fest geschlafen, dass ich von den mächtigen italienischen Angriffen während der Nacht nicht das geringste gemerkt habe.

Am Morgen erscheint über uns ein feindlicher Flieger von französischem Typ. Nach kaum einer halben Stunde muss er plötzlich im schwankenden Gleitfluge in unseren Linien landen, ob infolge Motordefektes oder Schussbeschädigung, ist mir nicht bekannt.

Gegen Mittag erfahre ich, dass die Angriffe der letzten Tage und während dieser Nacht den Italiener schätzungsweise rund 40000 Mann Gesamtverluste und ausserdem einen gegenteiligen Erfolg, nämlich die Zurückname der eigenen Linien um etwa 4 km eingebracht haben. Die Österreicher sind jedoch nicht nachgerückt, da ihre bisherigen Stellungen in den Bergen angeblich zu ausgezeichnet sein sollen.

Unsere Batterie war gestern und heute bereits mit gutem Erfolg tätig. Sie beschoss einen Fesselballon, Kirchtürme und weiter rückwärts liegende Ortschaften des Feindes.

Die Mithilfe erfordert aber von uns allen erhebliche körperliche Opfer. Vor allem wird es wohl noch einige Zeit dauern, bis wir uns an die hier herrschende ständige Hitze gewöhnt haben. Sie wird für uns umso drückender, als wir an Getränken nur des Morgens eine Feldflasche voll Tee oder Kaffee erhalten, die für den ganzen Tag reichen soll.

In Wirklichkeit langt sie nur für ein paar Morgenstunden und im Laufe des Tages versucht dann jeder, sich an Flüssigkeiten zu verschaffen, was irgendwie erreichbar erscheint.

Selbst Wasser, das man unter gewöhnlichen Umständen entschieden zurückweisen würde, muss daran glauben. Die Gefahr ansteckender Krankheiten wächst damit von Tag zu Tag.

In einem Teile unseres Unterkunftsortes ist bereits Cholera ausgebrochen. Um vorzubeugen, ist uns künftig noch Rum, Rotwein und Mineralwasser zugesichert worden. Aber wie gesagt: Durst und ewig Durst!

Auch unsere Pferde haben unter der Hitze sehr zu leiden. Heute ist eines davon sogar gestorben, obwohl vorher noch eine ganze Kanne dickflüssiges Blut abgezapft worden war, um Erleichterung zu verschaffen.

Am Nachmittag suche ich wiederum in der Wippach Erfrischung durch ein Bad. Leider ereignet sich hierbei ein recht bedauerlicher Unglücksfall.

Das Flussbett ist an den Ufern durchweg flach, fällt dann aber nach der Mitte zu plötzlich schroff ab und weist viele Untiefen (bis zu 4m) auf. Dass solche Verhältnisse für einen Nichtschwimmer gefährlich werden können, liegt auf der Hand.

Das Unglück kommt jedoch schneller, als wir denken. Ich habe bereits das Wasser zum zweiten Male verlassen und kleide mich gerade an, als ich zufällig in der Mitte des Flusses einen Badenden beobachte, der auf- und untertaucht.

Im Anfang halte ich dies für Spielerei. Bald muss ich aber erkennen, dass hier einer mit dem letzten Reste der Verzweiflung um sein bisschen Leben kämpft. Ich ziehe mich schnell wieder aus und schwimme auf den Kameraden zu.

Obwohl noch 40 andere Kameraden – vorwiegend Ungarn – am Ufer stehen und mindestens 20 baden, kommt mir niemand zu Hilfe. 3 oder 4 mal habe ich den Ertrinkenden gepackt. Immer wieder muss ich ihn mit Gewalt von mir stossen, da er versucht, sich fest an mich zu klammern.

Plötzlich versinkt er in einer Untiefe. Ich fühle mich zu abgekämpft und muss zurück.

Ein nochmaliger Rettungsversuch mit einem 2. Kameraden bleibt leider ebenfalls erfolglos. Der Ertrunkene wird abgetrieben und kommt nicht mehr zum Vorschein.

Erst nach einer halben Stunde gelingt es einem österreichischen Kameraden, ihn nach mehrmaligem Tauchen aufzufinden und ans Land zu bringen. Wiederbelebungsversuche haben keinen Erfolg.

Leider! Ich hatte versucht, was in meinen Kräften stand. Warum konnte von den vielen anderen nicht ein einziger rechtzeitig mit eingreifen? Ihre Untätigkeit war empörend. Wäre ich mit in die Tiefe gezogen worden, so hätte ich auf niemandes Hilfe rechnen können.

Es wird lange dauern, ehe der ganze Vorfall, der mich jetzt noch auf Schritt und Tritt verfolgt, aus meinem Gedankenkreis schwinden wird.

Gefahren ringsum! Man spricht von dem Vorhandensein zahlreicher Schlangen und Skorpione.

Von der ersteren habe ich selbst noch nichts gemerkt. Einen Skorpion aber haben wir heute in unserem Lager von den Zweigen einer kleinen Akazie mit einer Zange gefangen und getötet. Er unterschied sich von dem Blattwerk kaum. Hoffentlich ist dieses Viehzeug nicht so häufig vertreten wie die Ameisen, die uns unablässig am Körper auf- und abkrabbeln und beissen, wo sie können.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 9.7.1915