1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

28.11.1914: Wie ich mein Eisernes Kreuz II. Klasse erhielt.

/ / 11.10.1914 - 8.3.1915 In Französisch Flandern

Wie ich mein Eisernes Kreuz II. Klasse erhielt.

Abends 7 Uhr. Ein bedeutungsvoller Tag liegt hinter mir.

Um 2 Uhr nachmittags sollte ich den Divisionsapparat besetzen. Ich kam aber nicht dazu, sondern erhielt kurz vorher Befehl, mich in Gemeinschaft mit Vizefeldwebel S. und Unteroffizier L. um 1 Uhr beim Bataillonsstab in Marquilles zu melden.

Der Zweck unserer Mission blieb mir zunächst unbekannt. Der Weg bis zum Stabsquartier betrug zu Fuß eine gute Stunde. Die beiden anderen wollten zu Pferde hin. Da die Zeit knapp geworden war, entschloss ich mich kurzerhand, ebenfalls zu reiten.

Man denke sich aber in meine Lage. Ich, noch nie auf einem Pferd gesessen, sollte ohne Pferdeverstand und Reitanzug plötzlich einen einstündigen Weg auf dem Gaul zurücklegen? Das konnte nicht gut enden.

Und richtig, das Unglück “ritt” gar schnell. Schon der Aufstieg war schwierig. Ein Versuch, mit dem “rechten” Fuß in dem Steigbügel, den Sattel zu erreichen, missglückte.

Erst unter vieler Mühe, dem Gelächter und er kräftigen Nachhilfe meiner Kameraden gelange es mir, das edle Streitross zu erklimmen. Es blähte sich auf und tat, als wisse es die Ehre zu schätzen, einen “Kanonier” auf seinem Rücken zu tragen.

In Wirklichkeit war es nichts als Hinterlist. Und gar bald sollte es mir auch klar werden, was das infame Grinsen der Herumstehenden bedeuten sollte, als ich todesmutig zum Tor hinausritt.

Etwa 200m legten wir zusammen in ruhigem Schritt zurück. Dann wollte ich wie meine Mitstreiter einen kleinen Trab riskieren. Kaum hatten wir aber die ersten Sprünge gewagt – da begann sich plötzlich alles um mich herum zu drehen. Es zeigte,sich, dass der Gaul gar nicht so dick war, wie es erst schien. Jetzt war der Sattel viel zu lose aufgeschnallt.

Ehe ich mich versah, rutschte ich mitsamt meiner Unterlage nach links ab und sauste mit einem kräftigen Schwung, “Kopf vorwärts beugt”, in den Straßengraben.

Da lag ich nun mit meinem Talent. Mein Bock war zum Glück eine fromme Seele. Er nahm die Sache weniger tragisch als ich, stand mi- mit dem Sattel unter dem Bauche – ruhig neben mir und lachte mich vergnügt an, als wenn er sagen wollte: “ Was bist du doch für ein dummes Luder!”

Was blieb mir übrig. Ich musste gute Miene zum bösen Spiel machen, schnallte den Sattel fester, kletterte unter erschwerten Umständen – indem ich das Pferd in den Straßengraben stellte – wieder hinauf und wagte sogar einen Galopp. Das Versäumte musste eingeholt werden.

Nachdem der Gaul unterwegs noch ganz gegen meinen Willen ein anderes, mit mehreren Pferden bestehendes Gehöft für den Bataillonsstab angesehen hatte und mich dort trotz meines sichtlichen Protestes unter allen Umständen abladen wollte, langten wir schließlich gerade noch zur rechten Zeit am Bestimmungsort an.

Hier warteten bereits mehrere Kameraden von anderen Batterien unseres Regiments. Auf Befehl des Bataillonskommandeurs Major R. Mussten wir uns gruppieren. Dann gab es eine kurze Ansprache, einen herzlichen Glückwunsch und — das Eiserne Kreuz II. Klasse.

Ich war wie aus den Wolken gefallen. Eine solche Überraschung hatte ich nicht erwartet. Wie hätte ich auch annehmen können, dass gerade mir als ersten Kanonier in der Batterie diese hohe Auszeichnung so schnell zuteil werden würde, nachdem sie bisher nur Offizieren und Unteroffizieren überreicht worden war.

Auf dem Heimritt hatte ich Muße, über die inneren Beweggründe dieser Ehrung nachzudenken. Etwas “besonderes” hatte ich bisher nicht verbrochen. Zu Heldentaten, wie sie der Infanterie im Nahkampf mit dem Gegner tagtäglich vorbehalten blieben, gab es ja bei der Fußartillerie keine Gelegenheit. Ich tat nur meine Pflicht wie alle, die der Krieg mitten ins Feindesland stellte. Sollte aber solche Pflichterfüllung bereits genügen, in den Kreis der “Auszeichnungs-Würdigen” eingereiht zu werden, so will ich diese Anerkennung meiner Vorgesetzten – und nicht zuletzt unseres hohen Kriegsherrn – bedenkenlos hinnehmen, in der stillen Hoffnung, dass mir meine Kameraden, die die Lasten des Krieges bisher in der gleichen Weise wie ich getragen haben, bald nachfolgen möchten!

Der Rück-Ritt ist übrigens ohne weitere Zwischenfälle vor sich gegangen. Infolge der ungeübten Arbeit tun mir jedoch meine sämtlichen Knochen und sonstigen edlen Teile noch mächtig weh.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 1.12.