1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

27.10.1914 Dum-Dum-Geschoss und Schwefelgranaten

/ / 11.10.1914 - 8.3.1915 In Französisch Flandern

Dum – Dum – Geschoss und Schewfelgranaten. Das englische Infanteriegewehr. Stellungswechsel nach Halpegarbe. Quartier in Illies.

8 Uhr vormittags: Man spricht davon, dass unser Bataillon bald Stellungswechsel machen wird.

Die Augenblickliche Ruhe will ich benutzen, in diesem Büchlein die äußerst interessante Tatsache festzunageln, dass die Infanteriegeschosse der Engländer ohne Ausnahme “Dum-Dum-Geschosse” sind.

Das scheinheilige Albion hat natürlich nach außen hin alles vermieden, seine Gemeinheiten gleich auf den ersten Blcik ersichtlich zu machen, und wir selbst sind lediglich durch Zufall hinter das Geheimnis dieser Geschossart gekommen. Eine gründliche Untersuchung der Gewehrkugeln ergab, dass diese statt eines Stahlmantels nur einen solchen aus ganz weichem Metall besitzen und auch nicht – wie sonst üblich – einen vollen, sondern einen geteilten Bleikern in sich tragen.

Äußerlich stieht also jede Kugel wie die unseren aus. Die Sachlage ändert sich aber, sobald die Spitze abgebrochen wird.

Zur Erfüllung dieser Aufgabe befindet sich an den englischen Gewehren eine besondere Vorrichtung, die es ermöglicht, aus den einzelnen Geschossen erst im allerletzten Augenblick Dum-Dum-Geschosse zu machen, ohne dass man dem Feind diese Schandtat richtig nachweisen kann.

Ich selbst habe gestern ein englisches Gewehr gefunden, genau auf seine Konstruktion untersucht und dabei auch die völkerrechtswidrige Fabrikation der Geschosse mit Erfolg versucht. Zum jederzeitigen Beweise meiner Behauptungen werde ich einige Gewehrkugeln dieser Art aufbewahren.

Die englischen Gewehre sind im übrigen zum Unterschied von den deutschen Handwaffen zweifellos neuzeitlicher. Bei der Visier-Einrichtung liegt z.B. Das Korn innerhalb zweier gebogener Seitenwände und gestattet so ein besseres Zielen. Das Visier selbst reicht – wie bei uns – bis 2000m, hat aber außerdem noch eine Vorrichtung zum Ausschalten einer etwa durch Beschädigung hervorgerufenen Seitenverschiebung. Weiter ist an der linken Seite ein Hilvsvisier angebracht, welches zum Nehmen einer Entfernung von 1700 bis 2800m dient. Das Schloss ist ähnlich dem unseren, jedoch einfacher. Die Patronenkammer fasst gegenüber der unseren statt 5 insgesamt 11 Patronen. Im Kolbenschaft ist eine kleine Büchse mit Öl untergebracht, ein Hilfsmittel, das auch uns durchaus erwünscht wäre.

Im Zusammenhang mit den Dum-Dum-Geschossen muss ich noch erwähnen, dass auch die Geschosse der feindlichen Artillerie völkerrechtswidrig sind. Sie enthalten neuerdings neben der üblichen Sprengladung noch eine Schwefel- oder ähnliche Mischung, so dass der Körper nicht nur äußeren Verletzungen sondern auch mit seinen inneren Organen besonderen Gefahren ausgesetzt ist.

Soviel ich hörte, soll man auf unserer Seite bereits zu Gegenmaßnahmen gegriffen und unsere Feldartillerie mit ähnlichen Geschossen versehen haben. Jetzt werden diese Lumpen ja wohl bald merken, welches Unheil sie auf ihre eigenen Köpfe heraufbeschworen haben.

Das steht jedenfalls fest: Ohne zwingenden Grund sind die Deutschen bisher nirgendwo aus ihrer idealen Kampfesweise und Kriegsführung herausgetreten. Aber angesichts der Schandtaten der Feinde, besonders der Engländer, kann es für uns nur heißen “Auge um Auge, Zahn um Zahn!” Das sind wir schon unseren braven Infanteristen schuldig, die alles in erster Linie erdulden müssen.

Der gestrige Sturm auf Chapelle soll übrigens geglückt sein. Näheres ist allerdings auch bis jetzt noch nicht bekannt geworden.

11 Uhr vormittags: Der Ruhetag ist wieder zum Teufel, denn eben kommt Befehl zum Stellungswechsel nach links in die Nähe von Halpegarbe.

Die Fernsprechleitung muss 3km aufgenommen und von der alten Beobachtungsstelle nach der neuen Batteriestellung, 3km links, verlegt werden. Dauer dieser Operation etwa 4 Stunden.

3 Uhr nachmittags sind wir mit unserer Arbeit zu Ende. Zum Lohn dafür gibt es anschließend an das Mittagessen wieder reichlich Feldpost.

Mit Einbruch der Dunkelheit bezieht die Batterie Quartier in Illies. Doch werden wir hier nicht warm, denn gegen 7 Uhr erfahren wir, dass die 1. und 2. Batterie morgen früh schon wieder in der alten Stellung bei Herlies schussbereit stehen soll. Außerdem muss bis zu diser Zeit eine neue Fernsprechleitung zur Beobachtung in der Kirche Aubers bereit liegen. Wir geben uns halb 8 Uhr abends an die Arbeit und kehren erst um Mitternacht zu unserem Quartier zurück.

Der neue Quartierort ist ebenfalls stark zerstört. In ihm sind – wie in Herlies – kreuz und quer Schützengräben ausgeworfen und Barrikaden errichtet – Zeichen dafür, dass unsere Truppen auch hier erst nach erbittertem Straßen- und Nahkampf Einzug halten konnten.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 28.10.