1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

30.8.1914 Schwere Kämpfe bei Ribemont.

/ / 1. Vormarsch im Westen. 9.8.14 - 6.9.14

Schwere Kämpfe bei Ribemont. Fortgesetzt Stellungswechsel. Eigene Batterie in starkem feindlichem Feuer. —Mittagessen – abends 9 Uhr. Feldlager bei Sissy. 

Sonntag. Das gestrige Gefecht ist für uns von Erfolg gewesen. Ebensogut hätte aber auch unsere gesamte Infanterie, Feldartillerie und Fußartillerie mit Kolonnen und Bagage verloren sein können, wenn nicht die Fußartillerie in höchster Gefahr eingegriffen und der Feind selbst unsere kritische Lage nur einigermaßen geahnt hätte.

Wir waren – um die Aufzeichnungen zu ergänzen – gegen Mittag mit unserer Marschkolonne, ohne unser Wissen bereits bis auf 250m an die feindlichen Vorposten herangeraten. Unsere eigene Infanterie musste sich ständig zurückziehen, weil sie unter starkem feindlichen Feldartilleriefeuer lag. Erst in letzter Minute gelang es uns, abzuprotzen, die nächstliegende feindliche Feldartillerie-Batterie aufs Korn zu nehmen und zum Schweigen zu bringen.

Damit wurde die Bahn mit einmal frei. Unsere Infanterie, die erst große Verluste erlitten hatte, konnte in kühnem Schwunge mindestens 10km vorrücken.

Jetzt haben wir den Feind von allen Seiten eingeschlossen. Und heute wird wohl die Entscheidung fallen, weshalb wir wiederum ordentlich ran müssen.

Viertel nach 9 Uhr morgens: Wir haben uns dicht neben unserem Biwakplatz in Stellung gegraben. Diesmal soll eine Festung beschossen werden. Nachdem unsere Geschützdeckung fix und fertig ist, kommt jedoch Befehl zum Stellungswechsel. Es ist inzwischen halb 11 Uhr vormittags und wir wissen noch immer nicht, wo es hingeht.

3 Uhr Nachmittags: Wir sind etwa 3 km vorgerückt und beschießen seit 3 Stunden die etwa 6 km vor uns liegende Stadt Ribemont, in der der Feind sich stark verschanzt hat. Gegen unsere Brisanzmunition ist aber kein Kraut gewachsen.

Soeben meldet ein Telegramm des Divisionsstabes, dass die Stadt vor wenigen Minuten in unsere Hand gefallen ist. Der Divisionsstab beobachtet, wie die Franzosen in hellen Haufen fliehen, sich durch ihre eigene Bagage den Rückweg verstopfen und nicht mehr ein noch aus wissen. Für uns gilt es nun, den fliehenden Feind noch mehr in Verwirrung zu bringen. Wir erwarten deshalb jeden Augenblick Befehl zum Vorgehen.

5 Uhr Nachmittags: Ganz unseres Sieges gewiss, rückten wir kurz nach der Feuerpause tatsächlich etwa 1 km vor. Wir mussten über eine freie Anhöhe hinweg und glaubten, dass der Feind längst über alle Berge sei. Kaum befanden wir uns aber in der dahinter liegenden Talmulde, als uns die Franzosen mit einem Hagel von Granaten überschütteten. Den Einschlag der Geschosse selbst konnten sie anscheinend nicht beobachten. Sie blieben vielmehr auf ein planloses Streufeuer beschränkt.

Das war unser Glück, denn nur so gelang es uns schließlich, unsere Geschütze rechts der Straße hinter dem nächsten Bergesabhang in Stellung zu bringen und selbst die Bekämpfung der feuernden feindlichen Batterie aufzunehmen. Der Erfolg war überraschend. Wenige Schuss mit einer Entfernung von 5000-5500m genügten schon, sie zum Schweigen zu bringen.

Es war aber auch die höchste Zeit. Die Unordnung in unseren eigenen Fahrzeugen und Bespannungen hatte einen beängstigenden Grad erreicht und die gesamte Situation war brenzlich wie noch nie. Vor Verlusten blieben wir trotzdem verschont. Jetzt verschnaufen wir. Wir würden nichts dagegen haben, wenn es für heute genug wäre.

Halb 7 Uhr Abends: Hurra! Ein Telegramm des Generalkommandos bringt die Nachricht, dass der Feind auf der ganzen Linie geschlagen und weiter im Rückzug ist. Die Fußartillerie hat diesmal an dem Erfolge unserer Truppen reichen Anteil. Auch wir mussten noch aus zwei weiteren Stellungen in den Kampf mit eingreifen.

9 Uhr abends: Wir haben bei Sissy  (1,8km vor Ribemont) Feldlager bezogen und endlich unser “Mittagessen” erhalten.

So viele enttäuschte Gesichter, wie zu dieser Stunde, sah ich aber selten. Trotzdem wir während des ganzen Tages nichts in den Leib bekommen hatten, fielen von der sonst vorzüglich bereiteten Kost kaum 10 Esslöffel für jeden Mann ab.

Mit hungrigem Magen machten wir nun unser bescheidenes Lager unter freiem Himmel zurecht.

Doch, ein Unglück kommt selten allein! Noch während der letzten Vorbereitungen zum Pennen erhält die Bedienung des 4. Munitionswagens, zu der auch ich gehöre, den ehrenvollen Auftrag, auf Nachtwache zu ziehen. Ich bekomme Posten eins und darf die Knarre gleich in die Hand nehmen, um von halb 10 bis halb 12 Uhr zu stehen.

Dann endlich werde ich meine müden Glieder strecken können.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 31.8.