1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

18.12.1914 Eine neue Beobachtung in Le Maisnil

/ / 11.10.1914 - 8.3.1915 In Französisch Flandern

Eine neue Beobachtung in Le Maisnil. Die halbe Batterie ist nach La Bassée abgerückt. An der ganzen Front starke Gefechtstätigkeit.

Halb 7 Uhr vormittags werde ich von meiner Nachtwache am Divisions-Fernsprecher abgelöst, um anschließend mit einem zweiten Kameraden zur neuen Beobachtungsstelle im Strohschober an der Hauptstraße von Le Maisnil zu wandern und dort den Fernsprechdienst zu übernehmen.

Auf der Rückseite des Strohhaufens ist ein bombensicherer Erdunterstand eingebaut. Da wir aber keinen Appetit verspüren, hier unser Dasein als Erdmäuse zu fristen, richten wir uns in einem etwa 50m dahinter liegenden Gehöft zwei Zimmerchen wohnliche in. Durch Fernsprecher verbunden, besitzen wir dauernde Fühlungnahme mit dem Beobachtungsstand und brauchen zum Schießen nur herüber gerufen zu werden.

Wie in allen anderen Stellungen, so müssen wir uns auch hier beim Beziehen des neuen Quartiers erst sämtliche Einrichtungsstücke aus den zerschossenen Gehöften der Umgebung zusammensuchen. Das ist heute keine Kleinigkeit mehr. Die Gegend ist durch die vielen Truppen, die sich für den Winter eindecken mussten, stark abgegrast worden. Und ehe wir diesmal neben anderen Dingen endlich noch einen einzigen Ofen auftreiben, wird es glücklich Abend.

Um 8 Uhr werden wir abgelöst. Die Beobachtung soll auch des Nachts besetzt bleiben, da man als Folge der für die Russen unglücklich ausgelaufenen Schlacht bei Lodz heftige Angriffe der feindlichen Verbündeten an der Westfront erwartet. Diese Annahme findet nicht zuletzt ihre Bestätigung durch die Aussagen der gestern bei einem vergeblichen feindlichen Angriff auf die Stellungen des IV. Armeekorps gefangen genommenen Franzosen.

Heute nachmittag punkt 5 Uhr setzte in unserem Abschnitt bereits eine heftige Kanonade des Gegners ein, die hauptsächlich den linken Flügel berührte und nach halbstündiger Vorbereitung mit Infanterieangriffen endigte.

Noch bis in die Nacht hinein dröhnen die Geschütze aus dem Nachbarabschnitt zu uns herüber. Unsere Batterie ist daran mitbeteiligt. Sie ist im Laufe des Tages auf die Hälfte zusammengeschrumpft, während die andere Hälfte zusammen mit 2 Geschützen der 2. Batterie nach La Bassée abrückte.

Die Fernsprechbedienung wurde für diese neue Stellung von der 2. Batterie gestellt. Ich kann mich deshalb gegen 10 Uhr abends noch einmal beruhigt in die alte Klappe legen.

Indessen werden wohl die im strömenden Regen völlig durchnässten Kleider am Feuer unseres Kamins wieder trocken werden.

Mit den heutigen Aufzeichnungen schließt sich das 3. Büchlein meiner Kriegserinnerungen. Ich möchte auf den darin und in seinen Vorgängern zum Ausdruck gekommenen Gedankenaustausch mit mir selbst nicht mehr verzichten. Darum greife ich morgen mit Freuden auch zu dem 4. Buch in der Hoffnung, dass es das letzte seiner Art sein möge … denn “Daheim ist schließlich doch daheim!”

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 19.12.