1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

31.10.1914 Versuche mit Sprenggranaten

/ / 11.10.1914 - 8.3.1915 In Französisch Flandern

Versuche mit Sprenggranaten. Kochgeheimnisse.

Halb 8 Uhr vormittags: Die Feuerstellung wird besetzt. Ich muss diesmal zur Beobachtung.

Der Vormittag verläuft ruhig.

Am Nachmittag machen wir einige Versuche mit Sprenggranaten über der Gegend von Laventié, in der feindliche Batterien “vermutet” werden. Dazu werden Granaten 88 mit Doppelzünder 92 und neuer Pulverladung verwandt. Außerdem wird die übliche Kartusche durch eine 9teilige ersetzt.

Welche Wirkung diese Sprenggranaten haben, können wir nicht feststellen. Aber eigenartig ist die äußere Erscheinung beim Zerspringen der Geschosse. Während die Schrapnells große weiße Rauchwolken hinterlassen, sieht man bei den Sprenggranaten nur einen verhältnismäßig kleinen schwarzen Punkt am Horizont, auf dem sich kurz nach der Explosion eine flammende Rauchwolke aufbaut. Es ist ganz das Ebenbild der an unsere Kanoniere für gute Richtleistungen ausgeteilten Richtbombe, die mit gelber Seide auf blauen Untergrund gestickt und auf den Rockärmel aufgenäht wird.

Halb 7 Uhr abends verlassen wir die Beobachtung und erreichen bei hellem Mondenschein eine Stunde später unser Quartier. Wie immer erwartet uns ein vorzügliches Abendessen. Wir leben hier wirklich wie die Fürsten.

Die Zubereitung der Leckerbissen ist in letzter Zeit allerdings mit Schwierigkeiten verknüpft. Ganz abgesehen davon, dass wir in der Regel erst am späten Nachmittag genau wissen, was am Abend auf den Tisch kommen wird, sind wir im Augenblick vor allem mit unserem Kochgeschirr sehr beschränkt.

Unter diesen Umständen wurde gestern unser Blecheimer zum reinsten Verwandlungskünstler. Am frühen Morgen kochten wir darin Kaffee, 2 Stunden darauf hatten 3 Kameraden das Bedürfnis, ihn als Fußbadeanstalt zu benutzen. Später kam sämtliches Eingeweide der 12 Hühner hinein und zum Schluss mussten damit noch Kartoffeln gekocht sowie Gehacktes geschmort werden.

Unser Kochgeheimnis haben wir den abends heimkehrenden Kameraden selbstverständlich verschweigen müssen, wenn wir ihnen sonst nicht den Appetit verderben wollten. Wir selbst aber futterten mit Todesverachtung drauf los, um keinen Argwohn aufkommen zu lassen.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 1.11.