1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

28.10.1914 Durch feindliche Granaten eingesperrt.

/ / 11.10.1914 - 8.3.1915 In Französisch Flandern

In der Kirche von Aubers durch feindliche Granaten eingesperrt. Heftige Angriffe der Engländer und Franzosen bei Chapelle. Neues Quartier in Le Riez.

4 Uhr morgens Wecken. Um 5 Uhr rückt die Batteriebedienung nach vorn. Die befohlene 2km lange Leitung nach der Kirche Aubers ist halb 8 Uhr betriebsfähig.

Die Kirche ist während unserer Abwesenheit durch feindliches Feuer stark mitgenommen worden. Vor allem ist aber der Zugang zum Turm durch einen Schuss in die Wendeltreppe versperrt. Wir können also von hier aus nicht mehr beobachten und müssen uns nach einer anderen Stelle umsehen.

Noch ehe wir dazu kommen, pfeifen schon wieder die feindlichen Granaten um unsere Köpfe. Der Feind vermutet im Kirchturm mit Recht Artillerie-Beobachtungen nach dem Sprichwort “Man sucht niemanden hinter der Hecke, wenn man nicht schon selbst dahinter gesessen hat!”

Die feindlichen Schüsse sitzen gut. Sie schlagen dicht vor dem Turmeingang ein und halten uns unerbittlich fest. Ein Trost, dass die meterdicken Umfassungsmauern und die massive Kirchentür wenigstens etwas Schutz bieten.

Wir verlassen diesen ungastlichen Ort, sobald es die Verhältnisse erlauben.

Nach 2 Stunden wird unsere Fernsprechleitung wieder aufgenommen und zu einer Beobachtung 2 km links der Kirche nach dem vorderen Rande eines auf einer kleinen Anhöhe liegenden Wäldchens verlegt. Unsere eigene Sicherheit ist damit nicht größer geworden.

Die vor uns in der Talmulde stehende Feldartillerie-Batterie erhält vom Feinde “dicke Brocken”. Ab und zu verirren sich einige Granaten und Schrapnells, mitunter sogar ein paar Gewehrkugeln, auch bis zu uns.

Die Sicht in das feindliche Gelände wird leider wieder einmal durch Häuser, Bäume und Gebüsch stark behindert. Trotzdem bekämpfen wir verschiedene feindliche Geschützstellungen, deren Mündungsfeuer und Rauch sichtbar werden, mit gutem Erfolg.

3 Uhr nachmittags Mittagessen. Um die gleiche Zeit setzt unvermittelt mörderisches Artilleriefeuer des Feindes auf die vor uns liegenden Ortschaften, besonders das von uns gestern und vorgestern genommene Neuve Chapelle, ein. Von der Brigade wird gemeldet: “Engländer und Franzosen versuchen einen Angriff!” Also auch Franzosen liegen uns wieder gegenüber.

Halb 7 Uhr abends: Der Angriff der vereinigten Feinde ist abgeschlagen. Er hat uns nicht gehindert, den von uns selbst auf 4 Uhr angesetzt gewesenen Sturm gleich im Anschluss daran durchzuführen und dabei gute Erfolge zu erzielen.

Wir verlassen die Beobachtung und beziehen in dem etwa 2km hinter der Geschützstellung liegenden orte Le Riez Quartier in einem Hause, dessen rechte Hälfte nebst Dach das Opfer einer feindlichen Granate geworden sind.

Nach Einnahme eines Rindfleisch-Abendbrotes geht es 10 Uhr auf strohbedecktem Fußboden zur Ruhe. — Sonne und Mond strahlten heute in vollem Glanze.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 29.10.