1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

29.11.1916 Die Tage vergehen wie im Fluge

/ / An der Somme 30.6.16-3.3.17

Die Tage vergehen wie im Fluge. Fernsprecher – Leuchtkugeln – Lichtsignale – Trompeten und Sirenen. Auch der Empfang der Lebensmittel beim Proviantamt will gelernt sein. “2 lässt sich durch 3 nicht teilen – alles in mein Quartier”.

Die Tage vergehen wie im Fluge.

An der Front gab es in letzter Zeit nur wenig Gefechtstätigkeit. Der starke Nebel hinderte besonders die Artillerie, sich loszulassen. Wir sind nicht böse. Im warmen Stollen ist es augenblicklich angenehmer als draußen in der nasskalten Luft.

Im übrigen wird der Krieg von Tag zu Tag komplizierter.

In ruhigen Zeiten wird die Verbindung der einzelnen Truppenteile mit dem Fernsprecher aufrechterhalten. Überall – kreuz und quer – laufen die Drähte über das Gelände und lassen uns auch vorn an der Front in den Geschütz- und Beobachtungsständen sowie in den Gräben erfahren, was sich in der Welt zuträgt.

Anders liegen jedoch die Dinge während des Kampfes.

Da sind die Leitungen schnell zum Teufel. Wiederflicken hat wenig Zweck. Die Lücken wachsen nach wie die Köpfe der Hydra. Wo die eine geschlossen wurde, sind im Nu zwei neue da.

In solchen Fällen waren bisher Leuchtkugelsignale das einzige sichere Verständigungsmittel. Sie werden bereits seit Beginn des Krieges in allen Farben und Formen angewandt, haben aber meist nur den gleichen Zweck und bedeuten für die Artillerie nach Sperrfeuer oder bei einem eigenen Angriff das Signal zum Vorverlegen bzw. Einstellen des Trommelfeuers auf die feindlichen Gräben.

Die ständigen Versuche des Feindes, uns durch gleiche Signale zu täuschen und zu unnötiger Munitionsverschwendung zu verleiten, machen einen fortgesetzten Wechsel notwendig, so dass die Ausnutzungsmöglichkeit dieser Signalgebung nur auf die vorerwähnten Zwecke beschränkt bleiben kann.

Man hat deshalb nach weiteren Mitteln gesucht und solche auch gefunden.

Sobald die Fernsprechleitungen unterbrochen sind, muss das Lichtsignalgerät heran, um mit Hilfe des Morse-Alphabetes Meldungen durchzugeben. Allerdings lässt es sich bei diesem Hilfsmittel nicht immer vermeiden, dass auch der Feind etwas sieht und schneller als man denkt, einige Granaten herüberfunkt.

Doch ist dieses Verfahren immer noch besser, als wenn man sich – wie das in Friedenszeiten so schön geübt wurde – gleich mit zwei großen Flaggen auf eine Anhöhe stellen müsste, um die großen Tücher durch die Lüfte zu schwenken nach dem Motto: “Herr Hauptmann, sie haben gewunken!”

So ist im Felde schon manche Friedensweisheit auf den Kopf gestellt worden. Und selbst die Lichtsignale sind nur Behelf.

Bei starkem Nebelwetter, wie es jetzt seit Wochen herrscht, muss nach anderen Verständigungsmitteln gesucht werden. Für diesen Fall sind nunmehr ersatzweise Trompeten-, Sirenen-, Glocken- und Eisenschienen-Signale eingeführt worden.

Doch lassen wir diesen Krimskrams wieder einmal für ein paar Tage hinter uns und gehen wir zur Sammelstelle. Dort hat man ja doch von “Tuten und Blasen” keine Ahnung und denkt nur immer an die eine Hauptsorge: “Was werden wir essen, was werden wir trinken, womit werden wir uns kleiden?”

Das heißt, ich will auch nicht ungerecht sein. Einige unter uns müssen schließlich auch für diese Aufgabe da sein. Und dass sie durchaus nicht immer die einfachste ist, habe ich selbst vor einigen Wochen erlebt, als ich einmal zum “Empfang” nach der Intendantur mitgeschickt wurde.

Ich kam mir dabei vor wie ein Waisenknabe. Zuletzt aber wusste ich wirklich nicht mehr, wer eigentlich von uns allen der größte Spitzbube war – ob meine eigenen Kameraden von der Batterie oder die von der verehrlichen Intendantur.

Natürlich macht die Unsumme von aufgespeicherten Lebensmitteln und sonstigen Genüssen begehrlich, umsomehr als man dauernd Kohldampf hat und auch das Gefühl nicht los wird, dass die, die an der Quelle sitzen, doch eine ganze Reihe Vorteile mehr vom Kriege haben als die in den Stellungen liegenden Truppen. – Na kurz und gut, zum Schluss des Empfangs mussten wir jedenfalls mit unserem Wagen auf dem schleunigsten Wege verduften, denn im Gedränge war es uns schließlich gelungen, außer den uns zustehenden “Kompetenzen” – von denen sowieso noch manches vorab in besondere Kanäle fließt – eine Kiste mit Konserven, einige Pullen Schnaps und sogar ein halbes Schwein “plus” zu machen.

Das letztere war für uns ein ganz besonderer und lang entbehrter Genuss.

Rindfleisch gibt es nämlich genug. Mit den Schweinen aber hapert es, zumal vor einiger Zeit ein Bataillonskommandeur (im Zivilberuf anscheinend ein Philosoph) den weisen Ausspruch geprägt haben soll: “ 2 lässt sich durch 3 nicht teilen – alles in mein Quartier!”

Ich bin nicht ganz hinter den Sinn dieses Ausspruches gekommen. Dafür bin ich auch weder Bataillonskommandeur noch Philosoph. Nur das eine wurde mir bei allem klar: Die Personen der Handlung waren 2 Schweine und 3 Empfangsberechtigte (nämlich ein Bataillons-Stab und 2 Fußartillerie-Batterien).

Wir aber sangen in diesem Falle das schöne Lied, das sonst die Franzosenkinder auf den Gassen trällern:

“Toujour, toujour travailler – travailler nix bon.”

Toujour, toujour….. Nix bon

Toujour, toujour marmelade – allemands malades.

Toujour, toujour la chacroute – allemands caputts!”

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 12.12.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert