1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

9.9.1914 Rückzugsstimmung.

/ / 7.9. - 8.10.1914 Rückzug von der Marne bis zur Aisne

Kurze Rast bei Fontaine Chacun. Der Durchbruch der Franzosen bei der 13. Division zwingt uns zum Weitermarsch über Orbais bis Port à Binson. Rückzugsstimmung.

8 Uhr vormittags: Wir sind die ganze Nacht hindurch marschiert.

Um halb 2 Uhr morgens kamen wir in Fonataine Chacun an, wo wir sofort auf freiem Felde unsere Zelte aufschlugen.

Aber schon um 5 Uhr wurden wir wieder geweckt. Halb 6 Uhr ging es weiter.

Jetzt haben wir uns unmittelbar hinter Fontaine Chacun in Stellung gegraben. Neben uns liegt Fußartillerie-Regiment Nr. 2 mit 2 Batterien; vor uns noch Feldartillerie. Unsere Bagage zieht sich auf allen Straßen in vollster Ordnung zurück.

Soviel ich höre, ist den Franzosen an einer, mit der 13. Division nur schwach besetzt gewesenen Stelle der Durchbruch geglückt. Die Flieger sind beiderseits in voller Tätigkeit. Unsere Infanterie hat sich in Schützengräben verschanzt. Seit dem frühen Morgen dröhnt von nah und fern Kanonendonner.

Halb 12 Uhr mittags greifen wir mit 12 Schuss in das Gefecht ein. Der Feind hat sich inzwischen auf eine Entfernung von 4-5 km herangearbeitet und zwingt uns gegen 3 Uhr nachmittags zur Aufgabe unserer Stellung. Wieder geht es rückwärts, jetzt gen Norden über Orbais in Richtung Port à Binson.

Es ist kaum zu glauben, wie niederdrückend solch ein Rückzug auf die Haltung der Truppen wirkt. Die Stimmung ist wie umgeschlagen. Die ehemals Lautesten schweigen. Nur hin und wieder rafft sich der eine oder andere auf, um ein Wort über die Kriegslage und die Aussichten zu verlieren.

Ich selbst – ein geborener Optimist – kann mich von diesem Missmut nicht freimachen. Auf Schritt und Tritt klingt es mir in den Ohren:

“Es geht bei gedämpfter Trommelklang,

Wie weit noch die Stätte, der Weg wie lang?

O wär’ ich zur Ruh’ und alles vorbei!!

(Youtube-Link)

Doch sollen wir wirklich verzagen? Ist nicht der Feind bei seinem bisherigen wochenlangen Rückzuge weit schlimmer daran gewesen? Kann sich das Kriegsglück nicht überraschend wieder zu unseren Gunsten wenden?

Wir dürfen nur den Glauben an unseren guten Stern nicht verlieren!

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 10.9.

  1. Schon bemerkenswert, wie schnell die Stimmung umschlägt. Dabei ahnt keiner, dass mal gerade 1/48 des Wahnsinns vorbei ist und es noch viel schlimmer kommen wird.
    Woran denkt Ernst Pauleit ? Der Text des erwähnten Liedes beschreibt eine Exekution, wohl eines Deserteurs.

    Link zum Text:
    http://ingeb.org/Lieder/esgehtbe.html

    Denkt man darüber nach, aber die möglichen und wahrscheinlichen Folgen führen zur Verwerfung des Gedankens ?

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  2. Danke für den Link des Liedes.
    Darin geht es um eine standrechtliche Erschießung.
    Die letzte Strophe lautet:
    Es haben die Neun wohl angelegt,
    Acht Kugeln haben vorbeigefegt.
    Sie zitterten alle vor Jammer und Schmerz,
    Ich aber, ich traf ihn mitten in das Herz.

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  3. Hallo,
    ich finde den Blog großartig und verfolge ihn seit den ersten Tagen. Mach bitte weiter so, ich bin jeden Tag gespannt auf einen neuen Eintrag.
    Was mir jedoch fehlt ist eine Übersicht über die Artikel bzw. einen Link über den man zum Anfang gelangt, so dass man nachlesen kann, falls man etwas verpasst hat. Evtl. also eine umgekehrte Chronologie. Hintergrund ist, dass ich vielen von dem Blog erzähle, es dann aber schwer für diese wird ersteinmal den Anfang zu finden. Soll sowas noch kommen? Das wäre spitze.

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  4. @bastian: die chronologie siehst du bei einem blog der auf wordpress basiert an der seite, unter archiv, hier werden alle beitraege erst nach monaten sortiert und wenn du da auf Oktober 2013 klickst bist du am anfang.

    oben rechts ist ausserdem noch der link „inhaltsverzeichnis“ , da die tagebuecher wohl in kapitel geordnet sind kommst du so auch relativ schnell zum anfang.

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  5. @julian: wenn du eventuell noch irgendwo das kalender-widget von wordpress einblendest waere das navigieren durch die beitraege vielleicht einfacher.

    danke fuer den blog und ich bin sehr gespannt wie es weitergeht.

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  6. Was ich mich schon seit längerem frage: Wie lange schliefen die Soldaten bloß im Schnitt? Es scheint ja eine unglaubliche körperliche Anstrengung gewesen zu sein und obendrein haben sie oft erst Stunden verspätet Nahrung aufnehmen können.

    Außerdem: Bemerkenswert, wie viel Alkohol die Soldaten konsumierten. Heuter wohl undenkbar.

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  7. Ich find’s interessant, wie modern die Sprache doch weitgehend wirkt. Ich hätte mir die Ausdrucksweise insgesamt doch viel altbackener vorgestellt. Auch damals hat er schon gerne diverse Fremdwörter verwendet und einige Redewendungen hätte ich gedacht, seien erst später entstanden.

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  8. Wie ich durch meinen Großvater weiß
    Wurde die Nahrungsaufnahme herausgezögrrt in dem man den Soldaten Drogen gab,in Form von Kokain, durch diesen konsum wurde der Hunger Übergangen.

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