Sonntag.
Wecken: 7 Uhr. Wetter: trübe.
Seit einigen Tagen erhält sich hartnäckig das Gerücht von eingeleiteten Friedensverhandlungen und einem baldigen Kriegsschluss. Man will sogar einen genauen Zeitpunkt hierfür kennen. Ich aber traue diesem Geschwätz nach mancherlei unangenehmen Enttäuschungen nicht eher, als bis ich es schwarz auf weiß sehe.
Im übrigen hätte ich nichts dagegen einzuwenden, wenn der Zauber bald einmal aufhörte.
Schlafen: 10 Uhr.
Der nächste Tagebucheintrag folgt am 13.4.
Michael Hoffmann
Dieser Eintrag war jetzt so interessant, dass ich das gleich googeln musste – und sah, dass Sie hierzu ebenso eine Twitteranfrage herausgeschickt haben.
Ich sehe nur ein Resultat ueber ein Dementi der deutschen Regierung bzgl Verhandlungen zw. Dtl. und Russland, wie Sie vermutlich auch.
Martin
Es gab im Frühling 2015 hinter den Kulissen in Berlin wohl heftige Auseinandersetzungen über Kriegsziele und -strategie.
Vornehmlich die Konservativen (Alldeutsche etc.) sahen in England den „Hauptfeind“ und wollten (mit Unterstützung der Großindustriellen) Belgien und wichtige industrielle Gebiete Frankreichs dauerhaft annektieren bzw. unter Kontrolle behalten.
Das wäre nur mit einem entscheidenden Sieg im Westen gegangen, insofern sah man in Russland das „kleinere Übel“ und erwog einen Separatfrieden. Die Aussicht, dann bald einen neuen Krieg im Westen mit Frankreich und England zu haben, wurde bewusst in Kauf genommen. Ebenso wurde mit solch einem Plan Österreich-Ungarn aufgegeben.
Das alles waren natürlich Phantasien. Ernsthafte Friedensverhandlungen wurden nicht aufgenommen.
Möglicherweise führte diese Diskussion, die teilweise in die Spalten der ansonsten gut zensierten Presse überschwappte, zu den Friedensgerüchten.
Einen Einblick gibt dieser Leitartikel des liberalen Chefredakteurs des Berliner Tageblatts, Theodor Wolff (links oben gekennzeichnet mit „T.W.“).
Michael Hoffmann
Vielen, vielen Dank fuer die Info und den Link, Martin!
Aber Sie meinen doch bestimmt Fruehjahr 1915, nicht 2015, oder ist es in Europa schon wieder so schlimm bestellt?! 😉
Martin
Hoppla. Ja klar, 1915. 😉
A.B.
Ich möchte mich an dieser Stelle einmal bedanken für die sachlichen, ergänzenden und aufklärenden Kommentare der Mitleser wie hier z.B. Martin! Sehr hilfreich sind für mich auch die von O. beigesteuerten Google-Karten!