1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

14.8.1915 Ein Tag in Triest

/ / Am Isonzo 1.7.1915-31.3.1916

Ein Tag in Triest. Rückkehr mit Hindernissen. Beinahe Aufgespießt.

Ein ereignisvoller, interessanter Tag liegt hinter mir.

Ich hatte mir schon seit langem vorgenommen, Triest zu besuchen. Heute wurde es zur Wirklichkeit. Allerdings habe ich dafür fast 24 volle Stunden opfern müssen.

Um 1 Uhr morgens kletterte ich aus der Falle. Eine Stunde darauf marschierten wir zu zweien nach der dicht hinter Görz befindlichen Eisenbahnstation St. Peter, die kaum 2km von den eigenen Schützengräben entfernt liegt. Während noch vor kurzem bis hierher Personenverkehr bestand, mussten wir heute zu unserem Bedauern feststellen, dass nur noch einige wenige Güterzüge ankamen.

Es blieb uns deshalb lediglich übrig, nach der nächsten Station Volčja Draga zu marschieren. Leider kamen wir dort erst um kurz nach 3 Uhr morgens, nachdem der erste Zug gerade abgedampft war, an. Das ganze Opfer an Nachtruhe war somit vergeblich.

Erst gegen 6 Uhr bestand die Möglichkeit einen Güterzug zu besteigen, ,der uns in zweieinhalb Stunden bis Občina brachte und dann eineinhalb Stunden später Anschluss nach Triest erhielt.

Kurz hinter Opčina senkte sich die Bahnlinie zu Tal. Sie umkreist Triest in weitem Bogen und mündet genau auf der entgegengesetzten Seite in einen Sackbahnhof ein.

Wunderbar war der Anblick, den wir vom Zuge aus genossen.

Triest bot sich uns während der Fahrt von drei Seiten – jedesmal mit der herrlichen, tiefblauen Adria im Hintergrunde – dar. Ich kann es den Italienern wahrhaftig nicht verdenken, wenn sie diese “Perle des Südens” besitzen möchten – viel weniger aber den Österreichern, die sie nicht hergeben wollen.

Die Stadt zeigte schöne, saubere Straßen, vornehme Gebäude, große und sehenswerte Geschäfte und vor allem eine ausgezeichnete Hafenanlage.

An den Kais lagen noch viele große und kleine Dampfer, die von den beiderseitigen Feindseligkeiten überrascht wurden und nun in stummer Trauer den Zeitpunkt herbeisehnten, an dem sie wieder fröhliche und sorglose Menschenkinder nach dem Süden tragen sollen.

Der Verkehr in der Stadt hatte natürlich gegenüber dem Friedensbetrieb wesentlich nachgelassen. Die Geschäfte waren zwar zum Teil noch geöffnet. Aber es flutschte nicht mehr recht. Der Fremdenstrom fehlte.

Auch waren sehr viele wohlhabende Italiener vor Ausbruch des Krieges abgereist, was den zurückgebliebenen deutschen Bewohnern jedoch durchaus recht schien. Und wir selbst zogen hieraus den Vorteil, dass wir überall, wo wir hinkamen, herzlich und in deutscher Sprache begrüßt wurden.

Leider mussten wir bereits nachmittags 3:56 Uhr diese gastliche Stätte wieder verlassen. Es war der letzte Zug, der uns zurzeit nach Görz zurückbringen konnte. Statt der friedensmäßigen Fahrzeit von zwei Stunden brauchten wir diesmal ganze fünf Stunden bis Volčja Draga zu gelangen.

Als wir ausstiegen, empfing uns strömender Regen. Glücklicherweise erwischten wir noch eine Droschke nach St. Peter, die von zwei Zivilisten bestellt worden war und von uns mitbenutzt werden durfte.

Der Triester Ausflug hätte aber für uns beinahe ein tragisches Ende genommen.

Wir hatten soeben die Droschke verlassen und strebten,völlig durchnässt in stockdunkeler Nacht, unseren heimatlichen Penaten zu, als wir plötzlich – ohne, dass wir auch nur die Hand vor den Augen erkennen konnten – durch Haltrufe zum Stehen gebracht wurden. Was blieb uns weiter übrig, als der Aufforderung Folge zu leisten.

Es war unser Glück. Als nach einer Weile von einem österreichischen Soldaten eine Laterne gebracht wurde, gewahrten wir zu unserem nicht geringen Schrecken, dass wir nur wenige Zentimeter vor dem aufgepflanzten Bajonett eines Wachpostens standen. Wir wären ihm unweigerlich in den Spieß gelaufen, zumal er keine Silbe Deutsch und wir wiederum nicht seine Landessprache verstehen konnten, so dass der eine den anderen zunächst als Feind betrachten musste.

Dieser kleine, unliebsame Aufenthalt hatte zur Folge, dass wir nunmehr auch den letzten trockenen Faden am Leibe opfern mussten.

11 Uhr abends endlich erreichten wir mit Müh und Not den Hof.

Bei einem guten Schluck Rotwein nehme ich Gelegenheit noch einmal das Erlebte und Geschaute zu überdenken. Es wird mir so und so unvergesslich bleiben.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 18.8.

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