1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

18.10.1914 Abmarsch nach Sainghin en Weppes

/ / 11.10.1914 - 8.3.1915 In Französisch Flandern

Abmarsch nach Sainghin en Weppes. Wir schwimmen in Wein, Fleisch und Eiern. Feuerstellung und Quartier beim Château Vallee (Wavrin).

Sonntag. Halb 7 Uhr morgens werden wir geweckt. Die Batterie verlässt anschließend ihre Quartiere und rückt ganz in die Nähe der bei Sainghin en Weppes ausgehobenen Geschützstellung. Wetter: trübe, aber trocken.

Um 9 Uhr stehen wir am Bestimmungsort. 11 Uhr beziehen wir hier Ortsquartiere. Die Bedienung des Beobachtungswagens hat das Glück, ein leerstehendes Haus zu erwischen. An Fressalien treiben wir nur Kartoffeln und 20 Flaschen Wein auf.

WIr finden uns schon mit dem Gedanken ab, damit fürlieb nehmen zu müssen, da tritt auf einmal Kanonier H. Mit 5 Hühnern, die ihm zufällig zwischen den Fingern “hängen geblieben sind”, ins Zimmer. Eine halbe Stunde darauf kommt Kamerad P. Mit 10 Pfund Schweinefleisch angerückt und fast im selben Augenblick “Emil der Nimmersatte” mit 120 Eiern aus dem in der Nähe befindelichen und von den Truppen aufgespürten großen Eierlager.

Wir sind gerettet! Der Ofen langt nicht mehr zu, alle Herrlichkeiten auf einmal anzurichten. Wir backen zunächst nur ein paar Eierkuchen. Dann gibt es Bohnensuppe aus der Feldküche.

Inzwischen ist es 2 Uhr nachmittags geworden.

Nachdem wir unser Essen verdrückt haben, kommt Befehl zum Abrücken. So eine Gemeinheit! Und wir dachten schon, uns hier auf ein paar Tage häuslich einrichten zu können.

Nach einem halbstündigen Marsch machen wir Rast vor dem Dorfe Wavrin.

Um 5 Uhr nachmittags geht es einen Kilometer vorwärts dieses Ortes beim Château Vallée, und zwar im Bataillonsverband in Stellung. Wir schießen einige Granaten mit einer Entfernung von 5700 bis 5900m nach Fromelles. Mit Einbruch der Dunkelheit wird das Feuer eingestellt.

8 Uhr abends beziehen wir Bürgerquartier in Wavrin. Die 3. Batterie bleibt in Feuerstellung; von uns wird nur ein Geschütz besetzt. Unser Quartier, wiederum ein unbewohntes Haus, ist glänzend. Als Abendbrot tischen wir den Rest der Eier – 70 Stück – auf. Das Schweinefleisch wird gebraten und gekocht, jedoch für morgen aufgehoben. Die Hühner müssen noch etwas länger warten.

Im Eierlager hat übrigens Hochbetrieb geherrscht. Die Kameraden erzählen, wie Angehörige aller Truppenteile in den großen Bottichen herumgewatet sind und sogar mit Schaufeln und Gabeln geschleppt haben – nur um die vielen Hungrigen möglichst schnell zu befriedigen.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 19.10.

  1. Eine gewisse Sorglosigkeit scheint zurückzukehren, sobald die Kampfhandlungen in den Hintergrund rücken. Die Geschütze werden offensichtlich einfach unbemannt und unbewacht zurückgelassen, wenn es zurück in die Quartiere geht. Ich frage mich, ob es im späteren Verlauf des Krieges auch für Fussartilleristen wie Ernst Pauleit mal zu Feindberührungen Mann gegen Mann kommen wird.

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    • Also ob die Geschütze wirklich unbewacht zurückbleiben, wäre ich mir nicht so sicher. Artillerie steht ja eher selten direkt in der ersten Reihe und aus den vorherigen Tagen lässt sich entnehmen das noch weitere Atillerieeinheiten vor Ort sind. Warum soll man also nicht einigen Einheiten komplett eine ruhige Nacht abseits der Front gönnen wenn vor einem die Infanterie und neben einem eine weitere Artillerie liegt und damit die Geschütze bewacht sind. Zumal ja auch sicher entsprechende Wachposten im Hinterland unterwegs sind.

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  2. Von den Tagebüchern der Schützengrabensoldaten haben es wahrscheinlich zu wenig „geschafft“.
    Vermute,Zeit und Umstände „ganz vorne“ ließen chronologische Aufzeichnungen ebenso wenig zu.
    Doch sehen wir weiter.

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  3. Interessant die Erwaehnung von Fromelles. Hat fuer mich als Deutsch-Australier Bedeutung, weil dort ANZACs standen und fielen. Seit einigen Jahren arbeiten dort nun australische Archaeologen und Historiker um gefallene Australier zu identifizieren und heimzufuehren.

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    • Waren ANZACs erst ab 1917 in das Geschehen in Flandern involviert oder schon früher? Ich war immer der Annahme, dass ANZACs zunächst bei Gallipoli in das ‚europäische‘ Geschehen eingriffen (auch wenn im asiatischen Teil der Türkei gelegen).

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      • Hallo Stefan. In der Tat korrekt, zu diesem fruehen Zeitpunkt standen dort noch keine ANZACs, aber wir haben ja Zeit! Von jetzt ab geht’s ja nur noch, wie Captain Blackadder so schoen sagte, nur noch darum General Haig’s Spirituosenschrank 30 Meter naeher nach Berlin zu verlegen. 😉

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