1914-1918 – Die Entwicklung der Dinge

21.7.1915 Feuerstellung im Karst – die unsichere Kriegslage.

/ / Am Isonzo 1.7.1915-31.3.1916

Feuerstellung im Karst – die unsichere Kriegslage.

Wecken: 4 Uhr morgens. Abmarsch von Reifenberg 5 Uhr.

Der Weg führt aus dem Tal (78m über dem Meeresspiegel) einen 291 m hohen Berg hinauf und dann über die Hochebene von Comen wieder zur Front.

Wir müssen uns von den Kolonnen der Österreicher Vorspann geben lassen, da wir seit unserem Hiersein große Verluste an Pferden – besonders durch die Hitze – erlitten haben. Von unseren insgesamt 100 Reit- und Zugtieren sind bereits 9 verendet bzw. Getötet und etwa 20 erkrankt, verwundet oder – wie man in Österreich sagt – marode geworden.

Halb 2 Uhr nachmittags treffen wir in Selo ein, biegen rechts ab und beziehen schließlich in Korite – einem Ort von 4 Häusern – Quartier und Biwak.

Hier sind wir ganz von der Welt abgeschlossen. Ringsum nichts als Felsen und Steine, zwischen ihnen etwas Wein, einige Bäume, spärlicher Graswuchs und Maisfelder (überall trifft man dieses verfluchte Zeug, das uns das Leben hier so “verbittert” an).

Unendlich lange Kolonnen mit Wasserfässern deuten schon unterwegs auf die besonderen Vorzüge dieser Gegend. Trotzdem werden unsere Erwartungen noch übertroffen – leider nur nicht in angenehmer Weise. Denn nicht nur Wasser ist knapp; auch andere notwendige Dinge des Lebens sind weit und breit nicht zu finden.

Dies alles aber wäre schließlich zu ertragen, käme nicht im Augenblick die völlig ungeklärte und unsichere Lage an der Front hinzu, bei der man vor Überraschungen keine Minute sicher ist.

In den letzten Tagen sind nämlich die Österreicher – wie sie erst jetzt zugeben – an verschiedenen Stellen der küstenländischen Front doch einige Kilometer zurückgedrängt worden – teils vor überlegenen Kräften, teils aus anderen Gründen, von deren Erörterung ich hier absehen muss.

Die Verschiebung der Front war auch für unsere Batterie der Anlass zur Rücknahme der Geschütze, für die es bei einem weiteren Vordringen des Feindes keine Möglichkeit mehr zum Abmarsch gegeben hätte.

Welchen Dusel wir trotz alledem bisher hatten, das mögen folgende Tatsachen näher erläutern:

Unmittelbar vor unserer Beobachtungsstelle konnten die Italiener eines Tages nach starker Artillerievorbereitung kolonnenweise durch die Drahtverhaue marschieren, ohne dass sie einziger Infanterie- oder Artillerieschuss von unserer Seite daran hinderte. Am nächsten Tage wiederum war die gesamte österreichische Infanterie und Artillerie unseres Abschnittes 3 Stunden lang ohne jegliche Munition, da sie bei den heftigen Angriffen alles verschossen hatte. Glücklicherweise muss dies dem Feinde nicht bekannt gewesen sein – sonst säßen wir schließlich noch heute weiter rückwärts – oder gar in Gefangenschaft.

Unter all diesen Umständen weiß ich aber wirklich nicht, ob wir aus diesem Felsengewirr überhaupt noch einmal mit heiler Haut herauskommen. Die Zufuhr- und auch Rückzugsverbindungen bestehen in der Hauptsache aus schmalen, steinigen und schlecht gepflegten Wegen, auf denen im Ernstfalle das größte Durcheinander entstehen würde.

Doch hoffen wir das Beste!

Unsere Batterie kann erst bei Dunkelheit in Stellung fahren, da sie über völlig ungedecktes Gelände hinweg muss.

Heute gab es hier die erste Feldpost, und zwar zum Teil schon vom 17. des Monats — für mich war leider nichts dabei. Ich sehen mich ordentlich nach einem Lebenszeichen aus dem Vaterlande.

9 Uhr Schlafen. Wir sind alle todmüde.

Der nächste Tagebucheintrag folgt am 22.7.

  1. Auf YouTube ist eine Dokumentation ueber das „preussische Gestuet“ in Neustadt/Dosse, in der angemerkt wird, dass im 1.WK ca. anderthalb Million Pferde allein auf deutsche Seite eingesetzt waren. Wovon 2/3 starben. 🙁

    Wenn man hier liest, dass nach so relativ kurzer Zeit in diesem Abschnitt die Einheit schon 30% ihrer Pferde als Verluste hat wird einem das Ausmass recht klar. 🙁

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  2. Scheinbar war Mais in Deutschland damals noch nicht so verbreitet, wenn er sich so darüber aufregt. Er sollte seine doch so geliebte Heimat jetzt mal sehen, wo so gut wie alles eine maiswüste ist….

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  3. Mittlerweile heißen die meisten Orte wohl anders, zum Beispiel dürfte „Reifenberg“ jetzt „Branik“ sein. Möglicherweise war das die Route:
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